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Thrombosegefahr beim Wandern im Gebirge

Wandern im Gebirge wird als Freizeitbeschäftigung immer beliebter. Der Aufenthalt in großer Höhe erhöht jedoch das Risiko für alle Formen von Blutgerinnseln. Thrombosen in den Beckenvenen und tiefen Beinvenen verursachen Thrombosen, Embolien oder Thromboembolien und damit Herzinfarkte, Schlaganfälle und Lungenembolien. Besonders betrifft das Frauen und Patienten, die blutverdünnende Medikamente einnehmen.

Thromboserisiken im Gebirge: Welche Faktoren tragen zum Risiko mit bei?

Wandern ist Bewegung – eigentlich die beste Thromboseprophylaxe. Der Kreislauf läuft auf Hochtouren, und die Muskelpumpe sorgt dafür, dass sogar das Blut der tiefen Beinvenen in Schwung kommt.

Trotzdem steigt im Gebirge das Thromboserisiko, weil das Blut in der Höhe dickflüssiger wird. Das bedeutet

  • insgesamt mehr feste Bestandteile (Blutkörperchen), zugleich aber
  • weniger Flüssigkeit (Blutplasma), in der diese schwimmen, und dadurch
  • schlechtere Fließeigenschaften.

 

Vor allem im Hochgebirge und bei längeren Aufenthalten tragen mehrere Faktoren zu diesen drei Erscheinungen bei:

  • Das ist die medizinische Bezeichnung für die vermehrte Bildung roter Blutkörperchen (Erythrozyten). Bei längeren Aufenthalten unter Sauerstoffmangelbedingungen produziert das Knochenmark vermehrt die kleinen Sauerstoffträger. Der Körper stellt so sicher, dass ausreichend Sauerstoff zur Verfügung steht.
  • Wer stundenlang in der Ödnis unterwegs ist, macht nicht alle fünf Minuten Pause. Eine Rast nutzt man eher, um ein kleines Geschäft zu erledigen, als um zu trinken. Genau diese Kombination ist fatal. Denn mit dem Urin geht Flüssigkeit verloren, die mangelnde Zufuhr nicht ausreichend nachliefert. Das Blutvolumen sinkt und es kommt zur Hämokonzentration, sprich Ankonzentrierung der Blutkörperchen.
  • Niedrige Temperaturen. Kälte erhöht das Thromboserisiko. Nicht nur, dass die Anzahl roter Blutkörperchen zunimmt, auch der Anteil thrombosefördernden Fibrinogens und Cholesterins steigt. Dramatischer ist jedoch, dass der Körper die Kerntemperatur des Rumpfes aufrechtzuerhalten versucht. Durch verminderte Durchblutung der Extremitäten lassen sich unnötige Wärmeverluste in der Peripherie vermeiden. Je langsamer das Blut fließt, desto schneller bilden sich Blutgerinnsel. Außerdem ist die Luft in der Kälte wesentlich trockener. Mit der Folge, dass über die Atemluft noch mehr Wasser verloren geht – Stichwort Dehydrierung.
  • Beengende Kleidung. Im Gebirge läuft niemand im Schlabberlook herum, sondern mit atmungsaktiver und wärmeisolierender Bekleidung. Dummerweise liegt diese meist recht eng an. Das behindert den Blutfluss und fördert die Bildung von Blutgerinnseln. Dazu kann ein Rucksack beitragen, der mit seinen Gurten das Blut abklemmt und für Verwirbelungen sorgt.
  • Längere Aufenthalte bei schlechtem Wetter sind ein zusätzlicher Risikofaktor. Hat ein Unwetter einen überrascht, muss man sich längere Zeit still verhalten. In Sachen Thrombose ist das so effektiv wie ein Langstreckenflug oder eine lange Busfahrt.

7 einfache Übungen um Thrombose vorzubeugen








Thrombosen bei Gebirgstouren: Wie hoch ist mein persönliches Risiko?

Trotzdem bleibt festzuhalten, dass bei Wandertouren im Gebirge Thromboembolien aus heiterem Himmel eine Rarität sind. Gesunde und trainierte Menschen leiden selten an Blutgerinnseln und Bewegung trägt zur Verringerung des Thromboserisikos bei.

Anders sieht das aus, wenn von vorherein eine hohe Thromboseneigung (Thrombophilie) besteht. Dann können die genannten Faktoren schnell zur Bildung von Thromben und Emboli beitragen. Mit erhöhtem Risiko muss man bei folgenden Vorbelastungen rechnen:

Risiko für Thrombose bei Frauen im Hochgebirge

Frauen, die mit oralen Kontrazeptiva verhüten, sind ohnehin einem erhöhten Thromboserisiko ausgesetzt. Bei längeren Aufenthalten in der Höhe kommen Kälte, körperliche Anstrengungen und Sauerstoffmangel verschlimmernd hinzu und bringen den Menstruationszyklus durcheinander.

Bei längeren Aufenthalten im Hochgebirge sollten Frauen daher unbedingt darauf achten, eine „Pille“ mit möglichst geringem Östrogenanteil zu verwenden. Kontrazeptiva der dritten Generation mit Gestoden oder Desogestrel erhöhen das Thromboembolierisiko im Gebirge deutlich.

Besonders in der Schwangerschaft müssen Frauen bei solchen Wandertouren auf ein ausreichendes Blutvolumen achten, indem sie viel trinken.

Thromboserisiko im Gebirge bei Patienten unter Antikoagulation oder mit Blutgerinnungsstörungen

Wer infolge einer Erbkrankheit wie APC-Resistenz, Prothrombin-Mutationen oder Protein C/Protein S-Mangel an Blutgerinnungsstörungen leidet, sollte Gebirgstouren besser vermeiden. Gleiches gilt für Patienten unter medikamentöser Antikoagulation. Zu letzteren gehören sowohl die klassischen Vitamin K-Antagonisten wie Phenprocoumon (Marcumar) oder Coumadin (Warfarin) wie auch die „neuen“ oralen Koagulantien wie Darbigatran (Praxada) und Rivaroxaban (Xarelto).

Die Medizinische Kommision (MedCom) der UIAA (Union Internationale des Associations d’Alpinisme) äußert sich in ihrer aktuellen Empfehlung (Juli 2017) zu Höhenaufenthalten bei Vorerkrankungen eindeutig zu diesem Thema. Man rät Patienten mit Blutungen, Gerinnungsstörungen und bei Einnahme blutgerinnungshemmender Medikamente ausdrücklich von Höhenaufenthalten ab. Dabei sieht die MedCom das Problem vor allem in der schlechten Erreichbarkeit medizinischer Hilfe im Notfall.

Soll ich bei Gebirgstouren Aspirin zur Thrombose-Prophylaxe einnehmen?

In der gleichen Empfehlung äußert sich die MedCom der UIAA zur prophylaktischen Einnahme der blutverdünnenden Acetylsalicylsäure (ASS, Aspirin) im Gebirge. Sie schreibt, dass bisher keine wissenschaftlichen Daten über den Erfolg einer solchen Prophylaxe vorliegen. Im Gegenteil gibt es jedoch Hinweise für ein deutlich gesteigertes Risiko von Blutungen des Magen-Darm-Traktes oder der Netzhaut unter Höhenbedingungen. Daher rät die MedCom von einer solchen Einnahme dringend ab.

Quellen, Links und weiterführende Literatur

  1. Medizinische Kommission der UIAA (UIAA MedCom).
  2. Empfehlung der UIAA MedCom:
    Mountain activities for people with pre-existing cardiovascular conditions
    : [PDF-Datei]
  1. Walter Treibel:
    Alpine Lehrschriften: Erste Hilfe und Gesundheit am Berg und auf Reisen (Wissen & Praxis). 2. Auflage.
    Oberhaching 2011: Bergverlag Rother. ISBN-10: 3763360271
  1. Für Frauen, die hoch hinaus wollen.
    ÄrzteZeitung vom 26.11.2004. Stuttgart 2004: Springer-Verlag.
  1. Jean D, Leal C, Kriemler S, Meijer H, Moore LG:
    Medical recommendations for women going to altitude.
    High Alt Med Biol. 2005 Spring;6(1):22-31.
  1. Gupta N, Ashraf MZ.:
    Exposure to high altitude: a risk factor for venous thromboembolism?
    Semin Thromb Hemost. 2012 Mar;38(2):156-63. doi: 10.1055/s-0032-1301413. Epub 2012 Feb 17. Review.
  1. Peeyush P, Paliwal AK, Sharma V.
    Massive pulmonary thromboembolism in high altitude area versus high altitude pulmonary oedema.
    Med J Armed Forces India. 2016 Dec;72(Suppl 1):S144-S146. doi: 10.1016/j.mjafi.2016.03.014. Epub 2016 May 25.
  2. Shrestha P, Basnyat B, Küpper T, van der Giet S.
    Cerebral venous sinus thrombosis at high altitude.
    High Alt Med Biol. 2012 Mar;13(1):60-2. doi: 10.1089/ham.2011.1043.