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Ulcus cruris

Ulcus cruris, das Unterschenkelgeschwür oder offene Bein, ist eine gefürchtete Komplikation arterieller und venöser Gefäßleiden. Blutstauungen und Ödembildungen führen zu einer Minderversorgung des Gewebes mit Sauerstoff und Nährstoffen. Bereits kleinste Beschädigungen wie Stoßverletzungen heilen nur noch schwer ab. Auch die Immunabwehr ist mangels Blutzirkulation an dieser Stelle beeinträchtigt, sodass sich in der offenen Wunde leicht Bakterien ansiedeln und die Wundverhältnisse noch zusätzlich verschlechtern.

Was ist ein Ulcus cruris?

Mit Ulcus bezeichnet man in der Medizin ein Geschwür, mit crus den Unterschenkel. Es handelt sich dabei um den klassischen Fall einer chronischen Wunde, die nur schlecht abheilt und häufig monatelang besteht.

Typisch für das Unterschenkelgeschwür ist eine hinzukommende Entzündungsreaktion, die sich im Blutbild mit erhöhtem Leukozytenwert, CRP und beschleunigter Blutsenkung äußert.

Der Körper versucht durch erhöhtes Füssigkeitsaufkommen Bakterien und Fremdstoffe aus der Wunde auszuspülen. Das funktioniert nur begrenzt, denn dieses Exsudat ist zugleich ein idealer Nährboden für Keime. Diese kann das Immunsystem aufgrund der schlechten Durchblutung nur unzureichend abwehren. Bei der resultierenden Infektion bildet sich Eiter und schmerzt die Wunde.

Selbst bei Anwendung aller zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten kann sich ein Ulcus cruris als therapieresistent erweisen und offen bleiben.

Wo tritt ein Unterschenkelgeschwür auf?

Am häufigsten findet man den Ulcus cruris an der Innenseite des Unterschenkel oberhalb des Knöchels, seltener auf der Außenseite. Von dort aus breitet er sich ringförmig um den Unterschenkel aus. Daneben kann er überall am Unterschenkel auftreten, bisweilen auch an beiden Beinen.

Wie entsteht ein offenes Bein? – Ursachen des Ulcus cruris

Ein offenes Bein ist zumeist Folge einer chronisch-venösen Insuffizienz (CVI), bei der das Venensystem des Beines nur unzureichend funktioniert. Meist ist das das Ergebnis einer tiefen Bein- und Beckenvenenthrombose infolge eines Blutgerinnsels (Phlebothrombose) oder von Krampfadern (Varikose). Dadurch verursachte Entzündungen im Venensystem schädigen die Gefäße weiter, insbesondere die Venenklappen, die einen Rückstrom des Blutes verhindern sollen. Durch den so verursachten Blutstau erhöht sich der Blutdruck in den Venen, sodass vermehrt Blutserum durch die Gefäßwände in das umliegende Gewebe strömt.

Solche Ödeme führen dazu, dass die Haut an der Oberfläche gespannt erscheint. Zudem wird sie durch die verschlechterte Sauerstoff- und Nährstoffversorgung immer dünner und verfärbt und verhärtet infolge weitreichender Veränderungen in der Gefäßstruktur der Hautkapillaren.

Dadurch wird die Haut sehr verletzlich und heilt nur noch schwer ab. Eindringende Bakterien und nachfolgende Entzündungen erschweren die Situation zusätzlich, sodass sich kleine Wunden immer weiter ausdehnen statt zu verheilen.

Ein solcher Ulcus curis venosum stellt über dreiviertel aller Fälle von offenen Beinen und gilt als schwere Komplikation des postthrombotischen Syndroms. Seltener liegt die Ursache im arteriellen Blutgefäßsystem (Ulcus cruris arteriosum) etwa infolge einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK). Einen solchen Verschluss einer Beinarterie mit anschließender Nekrose und Bildung eines Geschwürs findet man häufig bei Rauchern infolge der starken Arteriosklerose (Raucherbein). Den arteriellen Ulcus cruris findet man häufiger auf der Außenseite des Unterschenkels und an den Zehen oder der Sohle des Mittelfußes.

Oftmals liegen Mischformen aus venösem und ateriellem Ulcus vor (Ulcus cruris mixtum).

Noch seltener handelt es sich um einen Ulcus cruris neoplasticum infolge eines Hauttumors wie eines Basalzellkarzinoms oder anderer Krebsgeschwüre.

Wer bekommt ein Unterschenkelgeschwür?

Unterschenkelgeschwüre treten bei Frauen etwas häufiger auf als bei Männern. Betroffen sind in erster Linie ältere Patienten, wohingegen man sie bei jungen Menschen kaum findet. Nach der Bonner Venenstudie steigt die Prävalenz des abgeheilten Ulcus cruris von 0,2 Prozent im dritten auf 2,4 Prozent im siebten Lebensjahrzehnt.

Mehrere Grunderkrankungen, allen voran eine Arteriosklerose, begünstigen die Ausbildung von Blutgerinnseln und damit der Bein- und Beckenvenenthrombose oder pAVK.

Diabetes führt ohnehin zu einer verschlechterten Wundheilung, begünstigt eine Arteriosklerose und führt zu Nervenschädigungen (diabetische Polyneuropathie). Solche Faktoren fördern die Entstehung eines Unterschenkelgeschwürs und vergleichbarer Symptome am Fuß. In letzterem Falle spricht man vom diabetischen Fuß, der sich ebenfalls durch schlechte Wundheilung und fortschreitende Nekrosen auszeichnet.

Wie erfolgt die Diagnose?

Für eine Diagnosestellung reicht in der Regel eine Blickdiagnose aus. Die Symptome mit offenen, schlecht abheilenden Wunden sind so typisch, dass sie mit anderen Krankheitsbildern nicht zu verwechseln sind.

Wichtiger als die Diagnose Ulcus cruris selbst ist die Identifizierung der zugrunde liegenden Erkrankung, also ob es sich um einen venösen oder arteriellen Ulcus handelt und wo ein Verschluss im Gefäßsystem vorliegt. Nur so lassen sich die Ursachen behandeln. Hierfür ist eine Doppler-Sonographie üblich, mit der sich das Strömungsverhalten des Blutes mittels Ultraschall darstellen lässt. Handelt es sich bei der Grunderkrankung um eine pAVK, führt man üblicherweise eine Angiographie, eine Röntgenuntersuchung mit Kontrastmitteldarstellung der Arterien durch.

Da es sich fast ausschließlich um ältere und multimorbide (an mehreren Erkrankungen leidende) Patienten handelt, gilt es entsprechende Grunderkrankungen zu identifizieren. Dazu gehören insbesondere Diabetes und Arteriosklerose.

Wichtig: Verlaufskontrolle durch Fotodokumentation

Wichtig bei der Therapie des Ulcus cruris ist vor allem eine Verlaufskontrolle, mit der sich der Fortschritt der Behandlung nachverfolgen lässt. Dazu ist eine fotografische Dokumentation in regelmäßigen zeitlichen Abständen notwendig. Hierzu gehört eine Vermessung der offenen Wunde, die zusammen mit anderen Parametern in einem Wunddokumentationsbogen zu erfassen ist. Besonders für Krankenhäuser, Pflegeheime und Pflegedienste ist eine korrekte Wunddokumentation unabdingbar, da sich nur so Behandlungsfehler ausschließen und Behandlungsfortschritte erfassen lassen.

Wie behandelt man einen Ulcus cruris?

Die eigentliche Behandlung eines Unterschenkelgeschwüres erfolgt meist konservativ. Man versucht die Wundheilung so weit zu bringen, dass sich Granulationsgewebe bildet. Nur so kann die gesunde Epidermis vom Wundrand aus über die offene Stelle wachsen und die Wunde schließen. Diese Epithelisierung ist Endziel der Wundbehandlung eines Ulcus cruris.

Daher ist es wichtig, die Wunde gründlich mit physiologischer Kochsalzlösung zu spülen, totes Gewebe und Beläge abzutragen und bakterielle Infektionen zu verhindern. Gegebenenfalls ist ein chirurgisches Débridement notwendig, bei dem man Fibrinbeläge und Nekrosen bis auf das gesunde Gewebe abträgt.

Für die Wundversorgung gibt es spezielle hydroaktive Verbände aus Hydrokolloid oder Alginat, die Feuchtigkeit binden, aber die Wunde feucht halten, die Granulation fördern und Bakterien fernhalten. Zu letzterem Zweck dient die Verwendung metallischen Silbers im Verbandsmaterial.

Gleichzeitig muss man den Wundrand pflegen, etwa mit einer Panthenolsalbe. Die früher häufig verwendete billige Zinkpaste sollte man tunlichst vermeiden, da sie die Haut austrocknet und die Wundheilung behindert.

Mit Maden gegen Unterschenkelgeschwüre

In einigen Verbänden sind Enzyme enthalten, die abgestorbenes Gewebe abbauen. Ähnlich und überraschend gut funktionieren Fliegenmaden, auch wenn das gewöhnungsbedürftig klingt. Hierzu verwendet man in Laboren unter sterilen Bedingungen aufgezogene Maden. In einer Wunde fressen sie lediglich das tote Gewebe und lassen gesundes Gewebe unbehelligt. Entfernt man nach einigen Tagen den Verband, lassen sich die Puppen entfernen oder machen sich die geschlüpften Fliegen selbst aus dem Staub. Dabei hinterlassen sie eine fein säuberlich gereinigte Wunde ohne Beläge oder abgestorbene Gewebeteile.

Ursachenbehandlung des Unterschenkelgeschwürs

Wichtig ist neben dem Wundverschluss die Beseitigung der Ursachen, die zum Ulcus cruris geführt haben. Nur mit einer kausalen Therapie ist eine langfristige Beseitigung des Unterschenkelgeschwürs möglich.

Bei venösem Ulcus cruris steht die Kompressionstherapie im Vordergrund, mit der sich der normale hohe Arbeitsdruck und geringe Ruhedruck im Venensystem wiederherstellen lässt. Meistens verwendet man dazu Kurzzugbinden (Pütter-Binden), mit denen man beim Anlegen die Lage des Geschwürs berücksichtigen kann. Daneben gibt es spezielle UlcusKompressionsstrümpfe und Verbandsstrümpfe. Nach Abheilen der Wunde lässt sich die Behandlung mit einfachen Kompressionsstrümpfen oder Verbänden aus Kurzzugbinden fortsetzen. Studien zufolge kann eine angepasste Kompressionstherapie die Heilungsraten verdoppeln.

Bei einer pAVK ist eine solche Kompressionstherapie streng kontraindiziert, denn hier ist eine Verbesserung des arteriellen Blutflusses Hauptziel der Behandlung. Schwierig ist das vor allem bei Diabetes und einer Versteifung der Arterienwände (Mediasklerose). Gegebenenfalls führt man eine Gefäßdilatation durch oder legt einen Bypass, um die Engstelle zu umgehen.

Schmerzbehandlung beim Ulcus cruris

Eine nicht zu unterschätzende Komponente bei der Behandlung eines Unterschenkelgeschwürs ist die Schmerzbehandlung. Je nach Ausmaß sind die damit verbundenen Schmerzen erheblich. Diese beeinträchtigen oftmals die Wundheilung, da sie Stress verursachen und damit Durchblutung und Sauerstoffversorgung weiter verschlechtern.

Neben den Dauerschmerzen durch die offene Wunde müssen auch die Schmerzen behandelt werden, die durch Wundreinigung, Verbandswechsel oder Grunderkrankungen auftreten. Dazu gehören die Beinschmerzen bei längeren Gehstrecken bei Raucherbein und pAVK wie auch die Nervenschmerzen infolge einer diabetischen Polyneuropathie.

Bei der medikamentösen Behandlung muss der behandelnde Arzt neben anderen Schmerzursachen alle weiteren Arzneimittel berücksichtigen, auf deren Einnahme ältere Patienten in der Regel angewiesen sind.

Quellen, Links und weiterführende Literatur

  • Dissemond J, Assenheimer B, Bültemann A, Gerber V, Gretener S, Kohler-von Siebenthal E, Koller S, Kröger K, Kurz P, Läuchli S, Münter C, Panfil EM, Probst S, Protz K, Riepe G, Strohal R, Traber J, Partsch H.
    Kompressionstherapie bei Patienten mit Ulcus cruris venosum.
    J Dtsch Dermatol Ges. 2016 Nov;14(11):1073-1089.